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Domenico Bossi

Bossi Domenico
Miniaturmaler

geb. 28.11.1767




Triest (I)
Vater: Bartolomeo; Mutter: Maria Ferrandini;
Grossvater: Vincenzo
°° I. Name unbekannt
°° II. 1821 in Wien Therese Gassner
gest. 7.11.1853
München (D)

Domenico Bossi, Selbstportrait, 1801, Nationalmuseum, Warschau (PL)

Domenico Bossi, auch Johann Dominik Bossi genannt, war ein vor allem in Nordeuropa hoch geschätzter Portraitmaler. Er spezialisierte sich auf die Darstellung bedeutender Persönlichkeiten aus Kreisen des Adels, der Kunst und der Wissenschaft. Die meisten seiner sehr lebendigen und naturgetreuen Bildnisse haben ein Format von nur 5-10 cm und sind in einer ausgeklügelten Technik mit Aquarell- und Deckfarben auf Elfenbein gemalt.

Nach der Ausbildung in Venedig führte ihn seine faszinierende Karriere jeweils für mehrere Jahre nach Hamburg, Stockholm, St. Petersburg, Wien und München. Insgesamt schuf er über 500 Portraits, die sich in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen befinden.

Aber Vorsicht: Bei der vorliegenden Biographie handelt es sich um ein Kuckucksei auf dieser Webseite! Denn Domenico Bossi gehört nicht zur Künstlerfamilie Bossi aus Porto Ceresio (I) nahe der Schweizer Grenze. Der Text war aber fast fertig, als sich herausstellte, dass er aus einer Familie Bossi in Venedig stammt. Dies wird in der bisher einzigen Monographie über diesen Künstler klar aufgezeigt: Bernardo Falconi, Bernd Pappe: Domenico Bossi. Da Venezia al Nord Europa. La carriera internazionale di un maestro del ritratto in miniatura, Fondazione Cini, Venedig 2012. Die meisten Abbildungen sind diesem Buch entnommen.

Herkunft und Ausbildung
Seine Ausbildung erhielt Domenico in der Werkstatt des Malers Giovanni Domenico Tiepolo sowie an der 1750 gegründeten Akademie der Schönen Künste in Venedig.

Giovanni Battista Tiepolo und Gianbattista Tiepolo

Giovanni Domenico Tiepolo, rechts mit Perücke, und sein Vater Gianbattista Tiepolo auf dem Deckengemälde in der Residenz Würzburg (D), 1750-1753

Domenico Bossi zeigte großes Talent fürs Zeichnen und die genaue Beobachtung von Personen, ihrer Haltung und ihrem Gesichtsausdruck. Hier sehen sie zum Beispiel einen in St. Petersburg stationierten Offizier des dänischen Jägercorps Langeland.

Dänischer Offizier des Jägercorps

Domenico Bossi,
Dänischer Offizier,
schwarzer und roter Stift auf Papier,
62,2 x 46,4 cm,
signiert Petersburg 1807,
Privatsammlung

Zur Technik der Malerei im Kleinformat inspirierten ihn vielleicht die Arbeiten einer sehr erfolgreichen Künstlerin, Rosalba Carriera (1673-1757), die zuerst auf Tabakdosen und dann auf Elfenbeinplättchen Portraits malte. Die Dresdner Gemäldegalerie besitzt 18 Werke von ihr, etwa das Bildnis des Kurfürsten Friedrich Christian von Sachsen.

Kurfürst Friedrich Christian von Sachsen

Rosalba Carriera,
Kurfürst
Friedrich Christian von Sachsen,
Pastell, ca.1739
Gemäldegalerie Dresden (D)

Miniaturportraits im 18. und 19. Jahrhundert
Um etwa 1750 beginnt die große Zeit der Bildungsreisen oder Grand Tour, wie man sie damals nannte. Dank den bequemen Kutschen und vom Wunsch beseelt, die Welt kennenzulernen, begab sich die bessere Gesellschaft Englands, Deutschlands und Russlands auf den Weg nach Süden. Ihr Ziel war zuerst Paris mit seinen Schlössern wie Versailles und Fontainebleau und der verspielten Kunst des Rokoko. Man durchquerte die Schweiz und erreichte den Höhepunkt: Italien, wo man auf Schritt und Tritt der Kultur der römischen Antike und ihrer Wiederentdeckung ab dem 15. Jahrhundert, der Renaissance, begegnete.

Auf diese Reisen wollte man natürlich auch mitnehmen, was wir heute in Form von Fotografien bei uns tragen, nämlich Bildnisse von Frau und Kindern - die Grand Tour war ja eine Angelegenheit von Männern.

James Russel, British Connaisseurs in Rom

James Russel,
British Connaisseurs in Rome,
um 1750

So ist es kein Wunder, dass Portraitmaler in denjenigen Ländern Hochkonjunktur hatten, in denen der Adel eine beherrschende Stellung einnahm. Die Karrierestationen unseres Domenico Bossi geben davon eine beredtes Zeugnis.

Erste Etappe: Hamburg 1794-1796
1789, im Jahr der französischen Revolution, hatte Domenico Bossi erstmals vier Portraits in Berlin ausgestellt. In den folgenden Jahren scheint er viel auf Reisen gewesen zu sein, um sich weiterzubilden und Kontakte zu knüpfen. 1794 zog er von Venedig in die Hafenstadt Hamburg mit ihrem internationalen Flair, wo er bald als Geheimtipp galt. Sein anfänglich allzu präziser Stil wandelte sich unter dem Einfluss der englischen Portraitmaler Thomas Gainsborough und Joshua Reynolds allmählich zu einer freieren Malweise mit stärkeren Hell-Dunkel-Kontrasten.

Portrait des Bischofs von 		Bristol, Lewis Bagot

Thomas Gainsborough,
Portrait des Bischofs von Bristol,
Lewis Bagot,
Museum Birmingham (GB),
1770-1774

Selbstortrait von Joshua Reynolds

Joshua Reynolds,
Selbstportrait, Uffizien,
Florenz (I), 1776

In den Hamburger Jahren entstand das Bildnis des Großherzogs Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin (1756-1837).

Portrait von Friedrich Franz von Mecklenburg Schwerin

Domenico Bossi,
Friedrich Franz I.
von Mecklenburg-Schwerin,
7 cm, 1795-1796.
Miniaturensammlung
Tansey im Bomann Museum,
Celle (D)

Stockholm 1796-1802
Eigentlich ist Domenicos erste Frau daran schuld, dass er nach Schweden übersiedelte. Der gut aussehende und erfolgreiche polnische Miniaturmaler Jan Gottlieb Jannasch hatte sich in sie verliebt und nahm sie mit nach Spanien. Domenico verließ kurz darauf die Stadt und begab sich nach Schweden.

Das Bildnis des Professors K.F. von Breda brachte ihm 1799 die Berufung an die Kunstakademie von Stockholm ein.

Bildnis des Akademieprofessors Karl Friedrich von Breda

Domenico Bossi,
Bildnis des Akademieprofessors
Karl Friedrich von Breda,
Königliche Kunstakademie,
Stockholm (S), 1799

Königin Friederike von Schweden (reg. 1797-1809), geborene Prinzessin von Baden, ernannte ihn zum Hofmaler.

Königini Friederike von Schweden

Domenico Bossi,
Königin Friederike von Schweden,
Museum Schloss Fasanerie,
Eichenzell bei Fulda (D),
ca. 1808

Das Nationalmuseum in Stockholm besitzt 38 Werke von Bossi aus den Jahren 1796-1815. Er übte großen Einfluss auf die skandinavischen Portraitmaler aus.

St. Petersburg 1802-1812
Während seines - mit Unterbrechungen - zehnjährigen Aufenthalts in Russland genoss Domenico Bossi offenbar das Vertrauen der höchsten Kreise. Denn Zar Alexander I. (reg.1801-1825) ließ nicht nur sich selbst mehrmals portraitieren, sondern auch seine langjährige Geliebte Maria Naryschkina, die ihn 1815 sogar an den Wiener Kongress begleitete.

Zar Alexander der I

Domenico Bossi,
Portrait des Zaren Alexander I.,
St. Petersburg, 1807
Miniaturensammlung Tansey
im Bomann Museum, Celle (D)

Portrait von Maria Naryschkina

Domenico Bossi,
Maria Naryschkina,
Eremitage Museum
St. Petersburg, 1808

In der damaligen Hauptstadt und Zentrum des kulturellen Lebens konnte Domenico auch auf internationale Kundschaft zählen. Tolstois Roman Krieg und Frieden gibt eine Vorstellung der Gesellschaftskreise, in denen er verkehrte, und von der Atmosphäre vor dem Schicksalsjahr 1812. Hier ist das Portrait des Grafen Johann Otto von Wrangel, der aus einem alten baltischen Adelsgeschlecht stammte.

Johann Otto Graf Wrangel

Domenico Bossi,
Johann Otto Graf Wrangel
von Sauss (1777-1847),
Privatsammlung, 1811

Graf Alexander Sologub

Domenico Bossi,
Graf Alexander Sologub,
Metropolitan Museum,
New York, 1810

Graf Alexander Sologub, aus einer polnischen Adelsfamilie, spielte am Hof
Alexanders I. eine wichtige Rolle. Hier portraitierte ihn Domenico anlässlich der Hochzeit mit Sofia, der Tochter des Gouverneurs von Moskau, Iwan Archarow.

Gräfin Sofia Sologub

Domenico Bossi,
Sofia Sologub,
Museum of Art,
Baltimore (USA), 1810

Besonders ausdrucksvoll ist das Bildnis eines Würdenträgers aus der Moldau, seit 1792, nach dem russisch-türkischen Krieg, Teil des Russischen Reiches. Er ist in seiner Landestracht gekleidet, mit goldbestickter, pelzbesetzter Weste und hoher Pelzmütze.

Moldauischer Würdenträger

Domenico Bossi,
Moldauischer Würdenträger, 1809
Standort unbekannt

Wien 1815-1840
Nach einem Aufenthalt in Paris, wo er an den Ausstellungen des Salons teilnahm, zog es ihn anlässlich des Wiener Kongresses in die Hauptstadt des Habsburger Reiches. Domenico kannte bereits viele Teilnehmer des Wiener Kongresses und Angehörige des Hofadels, sodass er bald wieder Fuss fassen konnte. Einer seiner Freunde war der Maler Johann Baptist Lampi, den er gleich 1816 portraitierte.

Der maler Johann Baptist Lampi

Domenico Bossi,
der Maler
Johann Baptist Lampi, 1816
Gemäldegalerie der Akademie
der bildenden Künste Wien

1818 wurde er Mitglied der Akademie, wo er in den folgenden Jahren öfter ausstellte. 1821 heiratete er die wesentlich jüngere Therese Gassner.

Bossis Frau Theresa Gassner

Domenico Bossi,
Bildnis seiner Frau
Therese Gassner, 1821
Gemäldegalerie der Akademie
der bildenden Künste Wien
(Schenkung
der Enkelin Albertina 1918)

Sie hatten zwei Töchter, Clothilde, die 1823 starb, und Karoline (1825-1881).

München 1841-1853
Nach mehreren Aufenthalten in München ließ sich Domenico 1841 mit Frau und Tochter endgültig dort nieder und kaufte ein Haus. Zuletzt wohnte er ab 1850 in der Theresienstraße 19. Die von seinem Vater - der Kunsthändler war - erworbene Sammlung von über 800 Zeichnungen von Gianbattista Tiepolo und hauptsächlich dessen Sohn Giovanni Domenico Tiepolo nahm Bossi mit nach München.

Kurz vor seinem Tod, im Januar 1853, heiratete seine Tochter Karoline, eine Malerin und Sängerin, den Sekretär der Kammer der Standesherren, Karl Beyerlen, in Stuttgart. Nach dem Tod des Paares im Jahre 1881 gaben ihre beiden Kinder, Angelo und Albertina, die Tiepolo-Sammlung an ein Auktionshaus. Einen großen Teil davon, nämlich 168 Werke, erwarb die Staatsgalerie Stuttgart, wo sie heute in der Graphischen Sammlung Italienische Zeichnungen vor 1800 aufbewahrt werden.

Immer wieder tauchen Werke von Domenico Bossi in Auktionen auf und erzielen erstaunlich hohe Preise, wie zum Beispiel dieses Portrait des schwedischen Geschäftsmanns Joachim Daniel Wahrendorff.

Joachim Daniel Wahrendorff

Domenico Bossi,
Joachim Daniel Wahrendorff,
Privatsammlung, 1797

Es wurde 2008 in Stockholm für 70.000 Euro verkauft.

Literatur

Links


© U. Stevens 2013 / 2015

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