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Kaisersteinbruch

Der Kaisersteinbruch bei Wien und die Bruderschaft italienischer und Tessiner Steinmetze und Bildhauer vom 16. bis 19. Jahrhundert

Am Leithagebirge, das sich ca. 30 km östlich von Wien auf einer Länge von 35 km erstreckt, wurde seit römischer Zeit Kalkstein abgebaut. Er ist relativ hart und hat einen marmorähnlichen Charakter, sodass er vor allem seit der Renaissance im 16. Jahrhundert für repräsentative Bauten des Kaiserhofes und der Adeligen sehr geschätzt wurde.

Kaisersteinbruch bei Wien

Kaisersteinbruch,
Foto von 1900,
Bildarchiv Steinmetzmuseum
Kaisersteinbruch

Seit 1576 trug der Steinbruch den Namen Ihro kaiserlichen Majestät Steinbruch am Leithaberg, oder kurz Kaisersteinbruch. Auch die Siedlung der Steinmetze wurde seither so genannt.

Einen starken Aufschwung nahm die Nutzung des damals in Ungarn gelegenen Steinbruchs ab 1551, als Kaiser Karl V. damit begann, die Ostgrenze seines Reiches gegen die Einfälle der Türken zu befestigen. Dazu rief er Baumeister ins Land, die in Italien die modernsten Techniken zur Errichtung von Festungsanlagen erlernt hatten. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Domenico dell'Allio (siehe seine Biografie auf dieser Webseite) sowie zahlreiche Steinmetze und Bildhauer aus dem Val d'Intelvi (I) und dem heutigen Tessin.

Bald wurden Bauten nicht nur vom Kaiser in Auftrag gegeben, sondern auch seitens der Kirche und des Adels, die sich in Wien und in den umliegenden Gebieten des Habsburger Reiches - im heutigen Ungarn, Tschechien und in der Slowakei – Kirchen, Klöster, Burgen und Schlösser bauen ließen.

Die große Nachfrage nach qualifizierten Maurern, Steinmetzen, Bildhauern und Baumeistern führte zu einem kontinuierlichen Zustrom weiterer Familienmitglieder und Dorfnachbarn aus dem Gebiet um den Comersee und Luganersee. Sie schlossen sich zu einer "Bruderschaft" zusammen, die 1617 von Kaiser Matthias die erste belegte Handwerksordnung erhielt. Demnach unterstanden die in Kaisersteinbruch ansässigen Meister zwar dem Kaiserhof in Wien, konnten aber Aufträge auch von verschiedenen Adeligen oder von Kirchen und Klöstern annehmen. Details dieser Zunftordnung können Sie dem zweiten Link am Schluss des Artikels entnehmen.

Siegel von Kayser-Steinbruch

Siegel von
Kayser-Steinbruch
ab 1617

Auf dem Siegel ist rechts das Zunftzeichen der Steinmetze zu sehen, Winkelmaß und Zirkel, das 1723 auch von der ersten Großloge der Freimaurer in England als Symbol ihrer Vereinigung übernommen wurde.

Während der zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683 wurde die Siedlung niedergebrannt und viele Einwohner kamen uns Leben. Jedoch setzte nach dem Sieg über das osmanische Reich erneut ein regelrechter Bauboom ein: der Kaiserhof, der Adel und die Kirche übertrumpften sich an prachtvollen Bauten im italienischen Stil, der sich inzwischen zum Barock gewandelt hatte.

Um 1700 waren im Dorf Kaisersteinbruch 56 Handwerks- und Händlerfamilien ansässig, es waren auch viele einheimische und deutsche Künstler zugewandert. Die Steinmetzfamilien heirateten untereinander, vererbten die Nutzungsrechte an den Steinbrüchen und blieben so über Generationen im Geschäft. Eine letzte Blüte erlebten sie, als um 1850 für die Bauten der Wiener Ringstraße mehr Kaiserstein gebraucht wurde, als sie liefern konnten. 1905 wurde die Handwerkszunft aufgelöst, und seit 1921 gehört der Ort Kaisersteinbruch zu Österreich.

Steinrelief in Kaisersteinbruch mit den Namen Maderno, Ferretti, Regondi, della Torre, Passerini

A. Ciutureanu, 1992,
Steinrelief in Kaisersteinbruch
mit den Namen Maderno,
Ferretti, Regondi,
della Torre, Passerini

Künstler aus dem Tessin und dem Val d'Intelvi (I) in Kaisersteinbruch:


Literatur

Links


© E. Mitterhuber / U. Stevens 2016

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