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Filiberto Lucchese

Architekt und Festungsingenieur

geb. 26. Dez. 1606


Melide (Vater: Giovanni;
Mutter: Elisabetta Tencalla;
Grossvater: Alberto Lucchese aus Pambio)
gest. 21. Mai 1666 Wien

Filiberto Lucchese war Architekt in Österreich sowie in Böhmen und Mähren, dem heutigen Tschechien. Er baute Paläste und Kirchen, kümmerte sich aber auch um die Befestigungsanlagen in Wien und an der Ostgrenze des Habsburger Reiches. Sein wichtigster Auftraggeber war Kaiser Ferdinand III.

Erzherzog Ferdinand III., 1637-1657 römisch-deutscher Kaiser

Ferdinand III.,
ab 1625 König von Ungarn,
1637-1657 römisch-deutscher Kaiser

Porträt von Frans Luycx (um 1638).
Kunsthistorisches Museum Wien

Ferner arbeitete er für Kaiser Leopold I. (reg. 1658-1705) und den ungarischen Grafen Ádám Batthyány.

Herkunft und Ausbildung

In Filibertos Familie hatte die Baukunst Tradition: sein Urgroßvater Giovanni Lucchese (ca.1520-1581) schuf u.a. die Silberne Kapelle in der Hofburg von Innsbruck und die Herz-Jesu-Basilika in Hall, Tirol.

Großvater Alberto Lucchese (ca. 1545-1600) war Hofbaumeister in Innsbruck unter Erzherzog Ferdinand II. Zu seinen Aufgaben gehörte neben dem Bau von Schlössern, zum Beispiel in Günzburg (D), auch die Instandhaltung von Festungen in Tirol (Wiesberg, Imst, Bozen). Einer seiner letzten Entwürfe war die Hofburg in Brixen, Südtirol.

Hofburg in Brixen, Südtirol (I)

Alberto und Bartolomeo Lucchese, Hofburg in Brixen, Südtirol (I)

Sie wurde 1606-1607 von Albertos Neffen Bartolomeo Lucchese fertiggestellt.

Über Filibertos Vater Giovanni d.J. (ca. 1580 - ?) wissen wir nur, dass er mit Alberto zusammenarbeitete und wahrscheinlich dessen Nachfolger in Innsbruck wurde (Alberto starb 1600 in Melide). Auch Albertos Brüder Domenico und Adamo und sein Neffe Bartolomeo waren Baumeister in Innsbruck. Um 1605 heiratete Giovanni Lucchese Elisabetta Tencalla aus der großen Künstlerfamilie im gegenüberliegenden Bissone. Sie hatten drei Söhne: Filiberto, Domenico und Giovanni Battista.

Über Filibertos Lehrzeit und erste Arbeiten tappen wir im Dunkeln. Es ist jedoch anzunehmen, dass er bei den Verwandten am Hof der Erzherzogs in Innsbruck seine Ausbildung erhielt, insbesondere bei Bartolomeo, der sich mit dem Bau und der Instandsetzung von Festungsanlagen in Südtirol beschäftigte. 1639 wird Filiberto erstmals in Wien erwähnt.

Festungen und Burgen

Die Gefahr eines Angriffs seitens des Osmanischen Reiches wurde zu jener Zeit immer drohender. Die Türken drängten, ausgehend vom heutigen Istanbul, nach Westen vor Richtung Ungarn, Slowenien, Kroatien. Es galt, die zum Teil veralteten Festungen auf den neusten technologischen Stand zu bringen.

Filiberto erhielt von Kaiser Ferdinand III. den Auftrag, die Befestigungsanlagen in den östlichen Gebieten des Habsburger Reiches zu überprüfen. Auch die Hauptstadt selbst benötigte mehr Schutz, und so baute Lucchese ab 1642 die Festung Wiener Neustadt aus.

Burg Wiener Neustadt

Filiberto Lucchese, Ausbau der Burg Wiener Neustadt. Sie dient heute als Militärakademie.

Gerade einen Mann mit diesen Fähigkeiten benötigte der ungarische Heerführer Graf Ádám Batthyány, dem die Aufgabe zufiel, die Grenzen des Habsburger Reiches zu schützen. In den Jahren 1641-1650 betraute er Filiberto Lucchese mit der Instandsetzung von Burgen im Südosten des Landes.

Portrait des Grafen Ádám Batthyány

Portrait des Grafen Ádám Batthyány,
um 1650, Maler unbekannt
Ungarisches Nationalmuseum, Budapest

Zuerst sollte die Burg Schlaining umgebaut werden, die an einer wichtigen Handelsstraße lag.

Burg Schlaining, Burgenland (A)

Burg Schlaining, Burgenland (A)

Dann kam die Stammburg der Familie Batthyány in Güssing an die Reihe, um sie gegen die drohenden Türkenangriffe zu sichern.

Burg Güssing, Burgenland (A)

Burg Güssing, Burgenland

Im noch erhaltenen Teil ist heute ein Museum mit rund 5000 Exponaten untergebracht: die Ahnengalerie der Familie Batthyány, Waffen, Plastiken und Gemälde, darunter zwei Porträts von Lucas Cranach d.Ä.

Landkarte mit Arbeitsorten con Filiberto Lucchese Luini)

Karte der Arbeitsorte von Filiberto Lucchese

In der Burg Bernstein, ebenfalls im Besitz des Grafen Batthyány, schuf Filiberto einen imposanten Rittersaal.

Burg Bernsteine, Burgenland (A)

Burg Bernstein, Burgenland (A)

Schlösser und Stadtresidenzen

Anschliessend widmete sich Filiberto mehr dem Entwurf von Residenzen für Adelige und Fürstbischöfe. Im heutigen Tschechien errichtete er ab 1651 das Schloss Holešov (dt. Holleschau) im Bezirk Kroměříž (ca. 80 km östlich von Brno / Brünn) für Johann Graf Rottal, der zu den mächtigsten Grundbesitzern gehörte und höchster Richter im damaligen Königreich Böhmen war. Die barocke Anlage enthält ein Theater und eine Kapelle.

Schloss Holesov im Südosten von Tschechien

Filiberto Lucchese, Schloss Holešov im Südosten von Tschechien, ab 1651

Im nahegelegenen Kremsier machte Filiberto Lucchese Pläne für eine neue erzbischöfliche Residenz.

Schloß Kremsier, Sitz des Erzbischofs von Olmütz

Schloß Kremsier, Sitz des Erzischofs von Olmütz

Den eigentlichen barocken Neubau führten Giovanni Pietro Tencalla und Domenico Martinelli ab 1686 aus.

Auch in der Hauptstadt Wien erhielt Filiberto Aufträge für repräsentative Residenzen. Dazu gehört das prächtige Palais Abensperg-Traun. Angeblich erhielt es als erstes Haus in Wien eine Wasserleitung! Und was gab es vorher? In einer alten Chronik lesen wir dazu: Im 18. Jahrhundert wurden der "Wassermann" und das "Wasserweib", die Wasser aus einem Fass zum Verkauf anboten, typische Figuren im Wiener Stadtbild. Denn die etwa 10.000 Hausbrunnen waren oft verseucht, immer wieder traten Epidemien auf.

Doch bald darauf, während der Türkenbelagerung im Jahre 1683, brannte das Gebäude nieder, wurde um 1700 wieder aufgebaut und 1855 abgerissen. Zum Glück ist diese Zeichnung überliefert.

Palais Abensperg-Traun in Wien

Filiberto Lucchese, Palais Abensperg-Traun in Wien, Herrengasse 14, Stich von 1737
Aus E. Haider: Verlorenes Wien: Adelspaläste vergangener Tage, Wien 1984

Inzwischen hatte 1658 Leopold I. die Regierungsgeschäfte übernommen, behielt jedoch Lucchese in seinen Diensten.

Kaiser Leopold I. (reg. 1658-1705)

Kaiser Leopold I. (reg. 1658-1705)
Maler und heutiger Standort unbekannt

Auf dessen Wunsch sollte die Hofburg einen neuen Flügel erhalten, den sogenannten Leopoldinischen Trakt. 1660 machte Filiberto dafür die Entwürfe, den Bau leiteten Carlo Martino Carlone und Domenico Carlone aus Scaria im Val d'Intelvi (I). Nach einem Brand im Jahre 1668 verlieh ihm Luccheses Nachfolger Giovanni Pietro Tencalla die heutige Gestalt.

Leopoldinischer Trakt der Hofburg, Wien

Filiberto Lucchese, Leopoldinischer Trakt der Hofburg, Wien, 1660-1666, heute Amtssitz des österreichischen Bundespräsidenten

Kapellen und Kirchen

1658 äußerte die Witwe Kaiser Ferdinands III., Eleonora Gonzaga, den Wunsch, der Jesuitenkirche am Hof eine neue Fassade zu verleihen. Filiberto bewarb sich um dieses Projekt, denn er hatte bereits Erfahrungen im Kirchenbau gesammelt: in Lambach (Oberösterreich) mit dem Umbau der Stiftskirche, in Wien mit der Brigittakapelle und der Wallfahrtskirche Mariabrunn im Stadtteil Penzing.

Wallfahrtskirche Mariabrunn in Wien

Filiberto Lucchese, Wallfahrtskirche Mariabrunn in Wien, um 1650

In diesem Fall bestand die Aufgabe darin, die Fassade in die bereits bestehenden Gebäude auf dem Platz Am Hof einzufügen, was ihm mit der ungewöhnlichen Wölbung nach innen gut gelang. Links sehen Sie die Mariensäule.

Wallfahrtskirche Mariabrunn in Wien

Filiberto Lucchese, Fassade der Kirche Am Hof, Wien, 1662

Nachfolger

Filiberto Lucchese starb am 21. Mai 1666 in Wien am hitzigen Fieber. Obwohl er keine Kinder hinterließ, fiel sein künstlerisches Erbe in gute Hände. Denn sein langjähriger Mitarbeiter Giovanni Pietro Tencalla (1629-1702) aus Bissone konnte die Stelle des Hofbaumeisters übernehmen. Er sollte zu einem der bedeutendsten Architekten in Österreich und Tschechien werden.

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© U. Stevens 2013

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