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Luigi Rusca

Architekt

geb. 2.9.1762 Agno (Vater: Giovanni Battista; Mutter: Maria Maddalena Ghirlanda aus dem Nachbardorf Vernate)
°° I. 1792 Marguerite Matthey
°° II. 1797 Marguerite Charlemagne
gest. 8.4.1822 Auf einer Reise in Valence, Département Drôme, Frankreich
Portrait des Zaren Alexander

Stepan Schtschukin,
Portrait des Zaren Alexander I.,
1809

Luigi Rusca war Architekt in St. Petersburg während der Regierungszeit von Zarin Katharina II. (1762-1796), Zar Paul I. (1796-1801) und Zar Alexander I. (1801-1825). Der Hof und Adelige betrauten ihn mit dem Neu- oder Umbau ihrer Residenzen, von denen einige noch heute das Stadtbild prägen. Daneben entwarf er Kirchen, Theater, militärische Bauten, Spitäler und Privatvillen.

Charakteristisch für ihn sind die Säulenfassaden, entweder rund mit einer Kuppel oder gerade mit dreieckigem Giebel, ganz im Sinne der damals vorherrschenden Strömung des Klassizismus, der sich an den griechischen und römischen Tempeln orientierte. Zum Beispiel dieses Militärspital, rechts, und ein Offiziersgebäude, links.

Luigi Rusca, Entwurf eines Spitales und eines Hauses, St. Petersburg

Luigi Rusca, Entwurf eines Spitals und eines Hauses für Offiziere des Ismailowsk-Regiments in St. Petersburg,
1809-1812
Aus: Album Rusca von 1810

Da wir kein Bildnis von Luigi besitzen, sehen Sie oben seinen wichtigsten Auftraggeber, Zar Alexander I., der ihn 1802 zum Hofarchitekten ernannte.

Herkunft und Ausbildung

Luigi gehörte zu einer weitverzweigten Künstlerfamilie aus Agno nahe Lugano. Seit dem 16. Jahrhundert sandte sie ihre Söhne zur Ausbildung in das nicht allzu weit entfernte Turin, die Hauptstadt des Herzogtums Piemont und - nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges und dem Frieden von Utrecht im Jahre 1713 - auch des Königreichs Piemont-Sizilien. Die Mastri d'arte aus Lugano und Umgebung hatten sich dort in der Compagnia di Sant'Anna gut organisiert. An Arbeitsmöglichkeiten mangelte es nicht, denn die Herzöge und die Adeligen sparten nicht an Aufträgen für Kirchen, Klöster und Residenzen. Allein in Turin gibt es 14 Schlösser, die zum Weltkulturerbe gehören!

Auch Luigi Rusca lernte bis zu seinem 20. Lebensjahr an der Akademie in Turin. Was er in dieser Stadt sah, muß ihn stark beeindruckt haben, vor allem die Bauten des Hofarchitekten Filippo Juvarra (1678-1736), übrigens ein Schüler von Carlo Fontana aus Novazzano. Einen großen Einfluß auf Luigi übte auch Giuseppe Piermarini (1734-1808) aus, der 1776 den ersten Lehrstuhl für Architektur an der soeben gegründeten Mailänder Akademie Brera erhielt. Piermarini erbaute zahlreiche Paläste und das Theater La Scala in Mailand.

Wallfahrtskirche La Superga, Turin

Wallfahrtskirche La Superga, Turin, erbaut von Filippo Juvarra ab 1716

Dann aber nahm ihn 1783 sein Vater, der Maurermeister Giovanni Battista Rusca, mit nach St. Petersburg, wo bereits seit 1766 ein Verwandter aus seinem anderen Familienzweig, Giovanni Geronimo Rusca (1728-1797) am Winterpalast der Zaren mit Maurerarbeiten beschäftigt war.

Assistent der Hofarchitekten Giacomo Quarenghi und Vincenzo Brenna, 1785-1801

Offenbar schätzte der Architekt Giacomo Quarenghi aus Bergamo, der 1780 nach St. Petersburg gekommen war und rasch zahlreiche Aufträge für Paläste des Zarenhofes erhielt, die Mitarbeit qualifizierter, in Italien ausgebildeter Fachleute und nahm Luigi Rusca gerne unter seine Fittiche. Der erste Bau, an dem er mitwirken durfte, war das sogenannte Englische Schloss in Peterhof, ca. 30 km außerhalb der damaligen Hauptstadt.

Englisches Schloß in Peterhof

Englisches Schloss, erbaut von Giacomo Quarenghi 1781-1789

Englisches Schloss
erbaut von
Giacomo Quarenghi
1781-1789
Lithographie, 19. Jh.

Bis zur Revolution von 1917 wohnten in dem dreistöckigen Gebäude mit Säulenportikus und Prunktreppe ausländische Staatsgäste und Teilnehmer an den Empfängen im großen Palast, wo die Zarenfamilie jeweils die Sommermonate verbrachte. Danach diente es als Sanatorium. Während der Belagerung der Stadt durch deutsche Truppen (1941-1944) wurde es 1942 durch Artilleriebeschuss vollständig zerstört.

Während der ebenfalls im zweiten Weltkrieg stark beschädigte große Palast in Peterhof und die anderen Gebäude in den Parkanlagen in jahrzehntelanger Arbeit renoviert wurden und heute eine der größten Touristenattraktionen sind, verzichtete man auf einen Wiederaufbau des englischen Schlosses.

Eremitage-Theater

Als nächstes Projekt konnte Luigi am Bau des Hoftheaters in St. Petersburg mitwirken. Auf diesem Panoramabild sieht man in der rechten Hälfte den Winterpalast, wo die Zarenfamilie den größten Teil des Jahres verbrachte, in der Mitte die Kleine Eremitage (die erste Gemäldegalerie Katharinas II.), dann den Erweiterungsbau dazu (die Alte Eremitage), und ganz links das Theater.

Kleine Eremitage, alte Eremitage und Privattheater der Zarin Katharaina II.

Katharina II. beauftragte Giacomo Quarenghi mit dem Bau dieses Privattheaters für die Zarenfamilie und ihre Gäste, das sich harmonisch in die Silhouette der bereits bestehenden Gebäude einfügen sollte.

Eremitage-Theater, erbaut von Giacomo Quarenghi 1783-1787

Eremitage-Theater, erbaut von Giacomo Quarenghi 1783-1787

Der Architekt erhielt viel Lob für die Ausstattung, die bis heute praktisch unverändert blieb. Die Wände sind mit farbigem Marmor verkleidet, in den zehn Nischen stehen Statuen von Apollon und den Musen. Der halbrunde Zuschauerraum bietet Platz für 250 Personen, und zum Dank erhielt Quarenghi für seine Familie eine eigene Loge!

Eremitage-Theater, Interieur von Giacomo Quarenghi 1783-1787

Eremitage-Theater,
Interieur von Giacomo Quarenghi
1783-1787

Von 1917-1991 war das Theater geschlossen, wird jedoch heute wieder bespielt und für Konzerte genutzt.

Zwischenspiel: Entwürfe für Privatvillen, 1790-1795

Obwohl Quarenghi eine Schlüsselrolle für seine weitere Karriere spielte, lehnte Luigi dessen Wunsch ab, für ihn als Bauleiter nach Moskau zu gehen. Vielmehr wollte er seine inzwischen geknüpften Kontakte nutzen, um für Privatleute (wohlhabende Kaufleute, Bankiers, Ärzte) repräsentative Villen zu entwerfen oder bestehende Bauten zu modernisieren. Zum Beispiel das Wohnhaus der Familie Mjatlew am Isaaksplatz, das er innen neu gestaltete:

Haus der Familie Mjatlew, Innenausbau durch Luigi Rusca, 1790-1795

Haus der Familie Mjatlew,
Innenausbau durch Luigi Rusca,
1790-1795

Seither hat sich das Haus fast nicht verändert und beherbergt heute die Staatsanwaltschaft von St. Petersburg.

Dann aber lockten wieder die Großprojekte im Auftrag des Hofes. Der Architekt Vincenzo Brenna - aus der Familie Brenni in Salorino - bot ihm an, den Bau der Michaelsburg zu übernehmen.

Michaelsburg

Vincenzo Brenna war im gleichen Jahr wie Luigi Rusca nach Rußland gekommen, 1783, auf Einladung des damaligen Kronprinzen Paul. Da Brenna mit Arbeiten in den Schlössern Pawlowsk und Gatschina alle Hände voll zu tun hatte, überließ er den Bau der Michaelsburg Luigi Rusca.

Michaelsburg, Entwurf von Vincenzo Brenna und Wassili Baschenow, 1797-1801

Michaelsburg, Entwurf von Vincenzo Brenna und Wassili Baschenow, 1797-1801

Dieser von Zar Paul I. (reg. 1796-1801) in Auftrag gegebene Palast sah damals mit seinen Gräben und Zugbrücken tatsächlich wie eine Festung aus, in der sich der unbeliebte Zar im Fall eines Attentats verschanzen wollte. Es sollte ihm nichts nützen, im März 1801 wurde er hier ermordet.

Luigi hatte nicht nur die gesamte Bauleitung inne, sondern war auch für den Innenausbau verantwortlich, in dem viel Marmor verwendet wurde.

Treppenhaus in der Michaelsburg

Treppenhaus in der Michaelsburg

Trotz der späteren Nutzung als Ingenieurschule - daher auch der Zweitname Ingenieurschloss - und trotz deutscher Luftangriffe im 2. Weltkrieg sind noch einige Räume original erhalten, etwa die Raffael-Galerie mit Portraits berühmter St. Petersburger Persönlichkeiten.

Dieses Aquarell der Michaelsburg malte der Neffe von Luigis zweiter Frau, Joseph-Maria Charlemagne (1824-1870).

Joseph-Maria Charlemagne, Michaelsburg im 19. Jh., Aquarell

Joseph-Maria Charlemagne, Michaelsburg im 19. Jh., Aquarell
Aus: Russische Nationalbibliothek

Hofarchitekt 1802-1818

Vincenzo Brenna kehrte Anfang 1802 nach Italien zurück, und Luigi Rusca wurde zu seinem Nachfolger als Hofarchitekt ernannt. Kurz zuvor hatte der Enkel Katharinas der Grossen, Alexander, den Thron bestiegen und sollte bis zu Luigis Abreise 1818 sein wichtigster Auftraggeber und Förderer bleiben.

Im Vorwort zum Album mit Architekturzeichnungen, das Luigi im Jahre 1810 Alexander I. widmete, erläutert Luigi die Grundprinzipien seiner Bauweise in einer Stadt, die von Sumpfböden, Überschwemmungen und feuchtem Klima geprägt ist: geeignete Standorte, wasserdichte Fundamente, Wahl des bestmöglichen Baumaterials (Granit, Holz, Kalk, Ziegel), gut belüftete und heizbare Innenräume usw. Auszüge aus diesem Album, das in der Kantonsbibliothek in Lugano aufbewahrt wird, finden Sie am Schluß als PdFAnhang.

Paläste und Wohnhäuser

Taurisches Palais

Katharina die Große hatte diesen Palast 1783-1788 vom Architekten Iwan Starow für Graf Potjomkin erbauen lassen. Dieser trug den Spitznamen Der Taurier, von der früheren Bezeichnung der Halbinsel Krim, die er erobert hatte. Nach Potjomkins Tod 1791 verwandelte der militärisch gesinnte Zar Paul I. das Gebäude in eine Kaserne, die Alexander I. jedoch wieder zu einer Residenz umgestalten wollte. Mit dieser Aufgabe wurde Luigi Rusca betraut.

Taurisches Palais in St. Petersburg

Taurisches Palais in St. Petersburg, Umbau zu einer Residenz durch Luigi Rusca, 1801-1803

Luigi gestaltete den Mittelteil mit der Kuppel neu und versah die Fassade mit Säulen und Giebel.

  Taurisches Palais, Umgestaltung durch Luigi Rusca

Taurisches Palais, Umgestaltung durch Luigi Rusca, 1801-1803

Die Inneneinrichtung modernisierte er nach dem inzwischen vorherrschenden klassizistischen Geschmack, zweckmäßig und ohne die von Katharina II. bevorzugten üppigen Dekorationen. Auch ein Theater durfte nicht fehlen.

Entwurf für ein Theater im Taurischen Palais, 1801-1803

Luigi Rusca, Entwurf für ein Theater im Taurischen Palais, 1801-1803, aus: Album von 1810

Bald darauf erhielt Luigi den Auftrag, einem weiteren, lange unbewohnten und vernachlässigten Palast neues Leben einzuhauchen.

Konstantin-Palast im Vorort Strelna

Es handelt sich um eine der ältesten Residenzen rund um St. Petersburg, die bereits unter Peter dem Großen (reg. 1682-1725) etwa 20 km nördlich der Stadt angelegt worden war.

Konstantin-Palast, nach einem Brand neu erbaut von Luigi Rusca und Andrei Woronichin

Konstantin-Palast, nach einem Brand neu erbaut von Luigi Rusca und Andrei Woronichin, ab 1803

Luigi Rusca schreibt im Kommentar zu seinem Entwurf: Attaccatosi casualmente poco tempo fa il fuoco a questo palazzo, fu il medesimo divorato in tal maniera dalle fiamme, che non restarono di esso che i soli muri; fui perciò incaricato della riparazione, e dell'intiera ricostruzione del medesimo.

Vor kurzem [1803] brach ein Feuer im Palast aus, und er wurde derart von den Flammen verzehrt, dass nur noch die Mauern übrig blieben. Daher wurde ich beauftragt, ihn zu renovieren bzw. ganz neu zu bauen.

Luigi Rusca, Entwurf für den Konstantin-Palast

Luigi Rusca, Entwurf für den Konstantin-Palast, aus: Album von 1810

Der während der deutschen Belagerung 1941-1944 stark zerstörte Palast wurde zum 300jährigen Jubiläum der Stadtgründung von St. Petersburg im Jahre 2003 restauriert und dient heute als Residenz des Präsidenten und zum Empfang ausländischer Staatsgäste. 2006 fand hier der G8-Gipfel und 2013 der G20-Gipfel statt.

Gipfeltreffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im Konstantin-Palast

Gipfeltreffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im Konstantin-Palast, September 2013

Jesuitenkolleg

Nach der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 waren zahlreiche Jesuiten aus Polen und Litauen nach Rußland eingewandert und standen unter dem Schutz der Zarin Katharina II. Ihr Nachfolger Paul I. gab ihnen die Erlaubnis, auf dem Gelände der katholischen Katharinen-Kirche am Newski-Prospekt eine Schule zu bauen. Luigi, der übrigens ganz in der Nähe wohnte, erhielt den Auftrag, ein geeignetes Gebäude zu entwerfen. Es ist bis heute erhalten, obwohl die Jesuiten 1820 des Landes verwiesen wurden.

Luigi Rusca, Jesuitenkolleg im Zentrum von St. Petersburg

Luigi Rusca, Jesuitenkolleg im Zentrum von St. Petersburg, 1801-1805

In dieser Schule wohnten und studierten Kinder aus dem Adel. Einige ihrer Absolventen nahmen nach dem Tod Alexanders I. im Dezember 1825 am Dekabristenaufstand teil: aus Protest gegen die Willkür und Polizeigewalt des Zarenregimes weigerten sie sich, den Eid auf Alexanders Nachfolger, Nikolaus I., zu leisten.
Heute dient das Gebäude als Wohnhaus.

Militärgebäude

Es ist nicht verwunderlich, dass Luigi Rusca in seinem Album, das er Alexander I. widmete, gleich am Anfang Bauten für militärische Zwecke aufführt. Denn angesichts der Bedrohung durch Napoleon wollte Alexander die Armee modernisieren und auch auf dem politischen Parkett den Einfluss des Russischen Reiches auf die Geschehnisse in Europa stärken.

Hier sehen Sie ein paar der imposanten Gebäude, die nach Luigis Entwürfen in der Zeit von 1803-1810 entstanden. Wir müssen uns jedoch mit seinen Zeichnungen aus dem erwähnten Album begnügen, denn in den letzten zwei Jahrhunderten wichen die Kasernen im Stadtzentrum allmählich zivilen Bauten.

Gesamtansicht der Gebäude für die Gardekavallerie in St. Petersburg, 1803-1806

Gesamtansicht der Gebäude für die Gardekavallerie in St. Petersburg, 1803-1806

Detail des Hauptgebäudes für die Gardekavallerie, 1803-1806

Detail des Hauptgebäudes für die Gardekavallerie, 1803-1806

Kirche für die Gardekavallerie, 1803-1806

Kirche für die Gardekavallerie, 1803-1806

Gesamtansicht der drei Kasernen, der Kirche und des Offiziershauses des Belozersky-
Regiments in St. Petersburg

Gesamtansicht der drei Kasernen, der Kirche und des Offiziershauses des Belozersky-Regiments in St. Petersburg, 1805-1806

Bauten in anderen Teilen des russischen Reiches

Im Auftrag des Zarenhofes entwarf Luigi Kirchen, Moscheen, Schulen, Markthallen und Verwaltungsgebäude für andere Städte.

Glockenturm in Astrachan

Zum Beispiel wollte die Stadt Astrachan, im Süden am Wolgadelta gelegen, einen Glockenturm neben der Kathedrale bauen.

Entwurf für den Glockenturm in Astrachan

Luigi Rusca, Entwurf für den Glockenturm in Astrachan, aus: Album von 1810

Infolge baulicher Mängel wurde Ruscas Glockenturm jedoch 1910 abgerissen und durch diesen ersetzt, der heute ein Wahrzeichen der Stadt ist.

Glockenturm neben der Uspenski-Kathedrale im Kreml von Astrachan

Neuer Glockenturm neben der Uspenski-Kathedrale im Kreml von Astrachan, 1910

Kathedrale in Simferopol, Krim

Die Halbinsel Krim war unter Katharina II. erobert worden und gehörte ab 1783 zum Russischen Reich. Für die Hauptstadt Simferopol sollte Luigi eine Kathedrale entwerfen.

Luigi Rusca, Entwurf für eine Kathedrale in Simferopol, Krim

Luigi Rusca, Entwurf für eine Kathedrale in Simferopol, Krim, aus: Album von 1810

Die St.Peter-und-Paul-Kathedrale wurde jedoch erst viel später in abgeänderter Form errichtet.

Kathedrale von Simferopol, Krim, erbaut 1866-1870

Kathedrale von Simferopol, Krim, erbaut 1866-1870 nach dem Entwurf von Luigi Rusca

Bauten für Novotscherkassk am Don

In seinem Album schreibt Luigi Rusca: Il Don, fiume grande, che passa per la città di Czerkask, Capitale dei Cosacchi del Don, allorche i venti marittimi soffiano violentemente, allaga la detta città, ed obbliga gli abitanti a rifuggirsi in altro sito; il che succede quasi ogni anno. … Il Nostro Benefico Sovrano ordinò che questa città fosse riedificata ... con belle piazze e strade ampie e diritte. Sua Maestà Imperiale ha voluto altresì che la medesima fosse corredata di fabbriche pubbliche, e di varj nuovi stabilimenti.

Incaricato io dunque dell'esecuzione di una parte di questo progetto, cominciai a dare i disegni di cinque delle principali fabbriche, che sono: 1. la chiesa cattedrale; 2. la cancelleria del governo; 3. un ginnasio; 4. un mercato pubblico; 5. il palazzo del magistrato di polizia.

Der Don, ein großer Fluss, der durch die Stadt Tscherkassk fließt, wird bei starken Winden vom Meer her überflutet und zwingt die Bewohner zur Flucht; und das geschieht fast jedes Jahr. … Daher ordnete unser wohltätiger Landesfürst an, die Stadt an einem anderen Ort neu zu erbauen, mit schönen Plätzen und breiten, geraden Straßen. Seine Kaiserliche Hoheit wünschte auch, dass sie mit öffentlichen Gebäuden und verschiedenen neuen Bauten versehen werde.

Da ich also mit der Ausführung eines Teils dieses Projekts beauftragt wurde, begann ich mit Entwürfen für fünf wichtige Gebäude, nämlich: 1. die Kathedrale; 2. den Sitz der Regierung; 3. ein Gymnasium; 4. einen öffentlichen Markt; 5. die Polizeiverwaltung.

Luigi Rusca, Entwurf für die Kathedrale von Novotscherkassk

Luigi Rusca, Entwurf für die Kathedrale von Novotscherkassk, aus: Album von 1810

Der Grundstein für die neue Stadt, etwa 20 km von der alten entfernt, wurde zwar 1806 feierlich gelegt, aber die Bauarbeiten verliefen schleppend, weil die Bewohner ihre Häuser am Don nicht verlassen wollten. Luigis Kathedrale gehörte zu den ersten Projekten, stürzte aber um 1850 zweimal ein und wurde erst 1893-1905 vollendet.

Kathedrale in Novotscherkassk, erbaut 1893-1905 nach dem Entwurf von Luigi Rusca

Kathedrale in Novotscherkassk, erbaut 1893-1905 nach dem Entwurf von Luigi Rusca

Einige Gebäude tragen noch deutlich Luigis Handschrift, zum Beispiel die Technische Universität, die größte in Südrussland (Zeichnung im Album).

Technische Universität in Novotscherkassk, Hauptgebäude, erbaut 1911-1930

Technische Universität in Novotscherkassk, Hauptgebäude, erbaut 1911-1930 nach dem Entwurf von Luigi Rusca.

Im Jahre 1817 wollte Alexander I. die neue Stadt besichtigen. Der Ataman der Donkosaken bat Luigi, zu Ehren des Gastes und seines Sieges über Napoleon im Jahre 1812 einen Triumphbogen zu gestalten. Doch da nicht sicher war, von welcher Seite der Zar eintreffen würde, beschlossen die Behörden, an der West- und Nordosteinfahrt den gleichen Bogen zu errichten! Sie zählen heute zum Kulturerbe der Russischen Föderation.

Einer der beiden Triumphbögen in Novotscherkassk, 1817

Luigi Rusca, einer der beiden Triumphbögen in Novotscherkassk, 1817

Familie und Nachfolger

Luigi war zweimal verheiratet. Seine erste Frau, die 17-jährige Marguerite Matthey, war die Tochter eines Arztes aus Lausanne, der in St. Petersburg medizinische Vorlesungen hielt. Sie gebar ihm die Söhne Ljubim und Iwan, starb aber kurz darauf mit erst 20 Jahren. 1797 heiratete Luigi, wiederum in St. Petersburg, Marguerite Charlemagne. Ihr Vater, Jean-Baptiste Baudet-Charlemagne, war Bildhauer aus Rouen in der Normandie. Als Trauzeuge fungierte der Architekt Vincenzo Brenna, dessen Vater aus Salorino im Tessin stammte. Die zwei Brüder Marguerites, Joseph und Louis Charlemagne, lernten bei Luigi und wurden bekannte Architekten.

Wegen seiner schlechten Gesundheit bat Luigi 1817 darum, in den Ruhestand versetzt zu werden. Alexander I. gab seinem Gesuch nach, sodass er im Mai 1818 mit seiner Familie die Heimreise antreten konnte. Das letzte Projekt, das 1817 begonnene Gebäude der Theologischen Akademie, wurde von Giacomo Quarenghi und Joseph Charlemagne 1821 vollendet. Luigi Ruscas Nachfolger als Hofarchitekt wurde Carlo Rossi (1775-1849).

Luigi wohnte am Newski-Prospekt Nr. 26, im Haus des Schweizer Konsuls und Juweliers Loubier, gegenüber der Kasaner Kathedrale, die 1801-1811 vom russischen Architekten Andrei Woronichin erbaut wurde.

Die Kasaner Kathedrale am Newski-Prospekt im Jahre 1821

Die Kasaner Kathedrale am Newski-Prospekt im Jahre 1821, Aquarell von Benjamin Patersen

Ganz in der Nähe der Kathedrale steht noch der frühere Eingang zu einer Markthalle, der heute als Rusca-Porticus bekannt ist (Zeichnung im Album). Beim Bau der Metrostation Newski-Prospekt wurde er 1962 abgetragen und 1972 an der gleichen Stelle wieder aufgebaut.

Rusca-Porticus in St. Petersburg, 1805-1806

Luigi Rusca, Rusca-Porticus in St. Petersburg, 1805-1806

Literatur

Links

Auswahl aus dem Album von Luigi Rusca


© U. Stevens 2016

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